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Informatik-als-Beruf-FAQ

"Informatik? Ach, da studieren Sie doch in die Arbeitslosigkeit. Werden Sie lieber Versicherungsmathematiker, das hat Zukunft!"

(Originalzitat eines Berufsberaters zu Abiturienten des Jahrgangs 1991)

Dann kam das Internet und das World Wide Web, die New Economy, Mobile - und heute ist Informatik mehr denn je ein wichtiges Betätigungsfeld.

Hintergrund: Ich berate ab und zu mal Schüler zu dem Thema Informatik. Ich habe hier wesentliche Punkte aufgeschrieben. Die FAQ findet sich unter github.com/ewolff/InformatikFAQ. Diskussionen bitte als Issues einstellen. Änderungsvorschläge gerne als Pull Request. Persönliche Nachfragen bitte an [email protected].

Die FAQ soll nicht konkrete Studien- oder Ausbildungsmöglichkeiten aufzeigen, sondern allgemeine Hinweise und eine erste Orientierung bieten. Weitere Quellen findet man im Internet sicher leicht.

Wie sind die Berufsaussichten?

Sehr gut. Typischerweise sind IT-Unternehmen in ihrem Wachstum durch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften begrenzt. Nur in der Krise 2000/2001 und in einem geringeren Maße 2008 war die Situation nicht so gut. Aktuell zeigen das Trends wie IoT (Internet of Things) und Digitalisierung, die Software auch in vielen anderen Branchen sehr wichtig machen werden.

Software wird aber seit Jahren in allen Branchen immer wichtiger, so dass diese positive Situation sich auf absehbare Zeit nicht ändern sollte. Bedarf für Informatiker gibt es daher in fast allen Branchen.

Was arbeitet ein Informatiker typischerweise?

Im Mittelpunkt steht meistens die Entwicklung von Software. Beispielsweise für:

  • Automatisierung von Lagerverwaltung.
  • Steuerung und Regelung in Maschinen, beispielsweise Autos, Flugzeugen, Schiffen
  • Steuerung von Produktionsprozessen in jeglicher Art von Fabrikanlagen, beispielsweise in der chemischen Industrie, der Automobilbranche oder dem Maschinenbau
  • Steuerung von Transport- und Logistikprozessen, beispielsweise dem Transport von Paketen mit Sendungsverfolgung und Wegeoptimierung, oder auch der Gepäckförderung an Flughäfen
  • Steuerung unserer Energieversorgung: Stromerzeugung, -verteilung und -verkauf
  • Roboter
  • Sensorik (Licht-, Entfernungs-, Temperatur-, Druck- oder Feuchtemessung)
  • Jegliche Art anspruchsvoller Elektronik, also DVD-/Blu-ray-Player, alle Arten von Audio-/Soundgeräten, Navigationsgeräte, moderne Wasch- und Spülmaschinen, Telefone
  • Verwaltung von Kunden- und Geschäftsdaten in z.B. Banken, Versicherungen und anderen Firmen und Konzernen
  • Viele größere Firmen erstellen eigene Software, um ihren Arbeitszweck speziell zu unterstützen.
  • Entwicklung von Apps für Unternehmen und Privatanwender auf Desktop PCs
  • Entwicklung von Apps und Spielen auf Smartphones

Darüber hinaus gibt es viele Unternehmen, die über das Web oder mobile Apps direkt ihr Geschäft betreiben - beispielsweise als E-Commerce-Unternehmen. Die meisten Informatiker sind in diesen Bereichen beschäftigt. Entweder als Mitarbeiter der Firmen oder bei IT-Dienstleistern (genannt IT-Berater). Spieleentwicklung, Hardware-Entwicklung o.ä. nimmt nur einen kleinen Teil des Marktes ein.

Rund um die "Entwicklung"...

Neben der reinen Programmierung gehören zur Entwicklung anspruchsvoller (größerer, schwierigerer, riskanter) Software eine ganze Reihe begleitender Tätigkeiten, für die Informatiker prädestiniert sind:

  • Planung und Entwurf der Systeme (sozusagen die Erstellung der Software-Baupläne)
  • Detaillierte Klärung der jeweiligen Anforderungen (das so genannte Requirements Engineering)
  • Sicherheit von IT-Systemen
  • Prüfung und Test der entwickelten Software
  • Abstimmung der Arbeitsaufgaben in Teams: größere Softwaresysteme werden oftmals von Dutzenden unterschiedlicher Personen bearbeitet... da fallen jede Menge interessanter Abstimmungstätigkeiten an.

Wie mache ich als Informatiker Karriere?

Karriere kann hierbei mehrere Dinge bedeuten:

  1. Mehr Geld,
  2. mehr Entscheidungsbefugnis (geht meistens mit 1. einher),
  3. mehr inhaltliche Verantwortung,
  4. mehr technische Verantwortung (von 1. oft unabhängig),
  5. mehr Personalverantwortung (geht meist mit 1. einher).

Typischerweise beginnt man als Entwickler und wird später Projektleiter. Damit erreicht man (1), (2) und (5).

Ein weiterer Aufstieg ins Management ist dann möglich - bedarf aber verstärkter kommunikativer Fähigkeiten und ordentlichem Durchsetzungsvermögen. Damit erreicht man dieselben Ziele wie als Projektleiter und vor allem mehr Personalverantwortung.

Eine technische Karriere als Software-Architekt ist ebenfalls denkbar - dann koordiniert man auf technischer Ebene Software-Projekte ("Software-Architektur"). Eine weitergehende technische Karriere ist möglich, aber die Ausnahme. Im Mittelpunkt stehen dann meistens (3) und (4).

Karriere in der Selbständigkeit

Als Informatiker oder Softwareentwickler benötigt selbständige Tätigkeit (sprich: ein eigenes Unternehmen gründen) nur sehr wenig Investitionsmittel, im Gegensatz zu vielen anderen Berufen.

Daher gibt es in der Informatik auch viele Freiberufler oder ganz kleine Unternehmen, die Informatik als Dienstleistung anbieten und damit ein gutes Auskommen bei einem hohen Maß an Selbstbestimmung und persönlichen Freiräumen erreichen.

Das gelingt Menschen mit viel Berufserfahrung und Spezialwissen natürlich leichter.

Welche Überraschungen gibt es im Berufsbild?

Hoher Anteil an Kommunikation mit anderen Menschen

Informatiker müssen sehr viel kommunizieren:

  • mit Kunden, um zu verstehen, was genau umgesetzt werden muss.
  • mit anderen Informatikern: Da praktisch jedes ernsthafte Projekt für einen einzigen Entwickler zu groß ist, müssen Informatiker auch untereinander kommunizieren.
  • des Öfteren auch auf Englisch, gerade in internationalen Unternehmen

Informatiker müssen also viel mehr als nur Technik können. Den einsamen Technik-Hacker gibt es immer noch - aber nur sehr selten für sehr spezielle Aufgaben.

Möglichkeiten flexibler Arbeitsgestaltung

Informatiker benötigen zur Arbeit oft nicht viel mehr als einen Laptop - daher ist Arbeit von zu Hause aus oder in Form von anderen innovativen Arbeitsweisen in der Informatik viel häufiger zu finden als in anderen Branchen.

Einige unserer Kollegen arbeiten oft zuhause oder in Co-Working Spaces, wo sie sich einen Schreibtisch mieten.

Immens hoher Anteil an ständiger Weiterbildung

Erkenntnisse bzw. technische Grundlagen der Informatik entwickeln sich ständig weiter. Das bedeutet, dass Informatiker ständig mit ihrer eigenen Weiterbildung beschäftigt sind. Das macht ungeheuer viel Spaß - benötigt auf der anderen Seite aber auch eine gehörige Motivation.

Allerdings: Entwickler mit Wissen der Programmiersprache COBOL aus den 60er-80er Jahren des letzten Jahrhunderts werden immer noch gesucht.

Ich will Computerspiele entwickeln! Hilft mir dafür eine Ausbildung zum Informatiker?

Ja. Aber...

Sehr viele Schüler träumen davon, Computerspiele-Entwickler zu werden. Die "Gaming-Branche" hat allerdings mit einigen Besonderheiten aufzuwarten. So ist der Erfolg des Produkts nicht vorhersagbar. Die Firmen können deshalb sehr schnell wachsen und dann ebenso schnell wieder in sich zusammenfallen. Die Entwickler werden teilweise direkt für Projekterfolge oder -misserfolge zur Verantwortung gezogen und stehen deshalb unter sehr großem Druck. Überstunden, Nacht- und Wochenendschichten können die Regel sein. Die Bezahlung ist im Vergleich mit anderen Branchen eher schlecht und die Fluktuation unter den Mitarbeitern ist hoch.

Nach so viel Vorwarnung nun das Positive: Lange gab es kaum Game-Entwicklerstudios in Deutschland, das hat sich gewandelt und es gibt Bedarf aus der Spielebranche. Mehrere Firmen sind erwachsen geworden und bieten ihren Mitarbeitern heute vernünftige Arbeitsbedingungen. Nur darf man nicht eine Rockstar-Karriere erwarten.

Die von den Entwicklern zu lösenden Probleme unterscheiden sich teilweise deutlich von denen, die man in den klassischen Branchen findet. Ebenso ist die Atmosphäre in den Spiele-Firmen eher geprägt von Kreativität und einer gewissen Verspieltheit, Buntheit und Lockerheit und bietet auch damit einen starken Kontrast zur klassischen Business-Software Entwicklung. Die Teams sind häufig international, sodass gute Englischkentnisse unabdingbar sind. Die Zusammenarbeit mit "Kreativen" und häufig und schnell sich ändernden Anforderungen bestimmt das Tagesgeschäft der Entwickler, was man je nach persönlicher Disposition als "positiv-dynamisch" oder "negativ-chaotisch" bewerten wird.

Generell wird allerdings eher zum Studium geraten.

FH / Uni / Promotion / Ausbildung?

Meistens geht es in der Branche um die Fähigkeiten und weniger, wie man sie erworben hat. Auch ein abgebrochenes Studium kann als Qualifikation genügen. Man kann sich durchaus hocharbeiten, indem man das notwendige Wissen in der Praxis erwirbt. Einige Unternehmen legen allerdings Wert auf eine formale Qualifikation.

FH ist eher praktisch, Uni eher theoretisch und breiter angelegt - man muss entschieden, was man lieber mag. Ich persönlich finde eine Ausbildung nicht so sinnvoll, habe aber auch schon mit sehr guten Leuten zusammengearbeitet, die eine Ausbildung gemacht haben.

Immer öfter trifft man auch im Bereich Informatik auf "duale" Studiengänge, d.h. die Ausbildung ist aufgeteilt in einen wissenschaftlichen/theoretischen Teil an der Hochschule und einen praktischen Bereich im Unternehmen. War dies vor einigen Jahren noch eine alleinige Domäne der Berufsakademien (BA), trifft man diese Form heute auch zunehmend an Fach- und Technischen Hochschulen an.

Promotion ist nicht notwendig, um einen Job zu bekommen.

Ergänzende Bemerkung von Gernot Starke (ich habe in Informatik promoviert): Mir hat die Promotion in meinen beratenden Tätigkeiten ungeheuer viel geholfen: In Diskussionen mit leitenden Managern, Geschäftsführern und Vorständen brauche ich (aufgrund meines Doktortitels) oftmals nicht mehr meine Informatik-Kompetenz begründen oder irgendwie belegen, sondern wurde aufgrund des Titels als sachkundiger Gesprächspartner akzeptiert. Das hat mir persönlich viel geholfen. Ich habe meine Promotion allerdings auch mit sehr praktischer Arbeit verbinden können...

Im öffentlichen Dienst sind die Gehälter an den Studienabschluss gekoppelt, im Vergleich zur Industrie aber meist niedriger. Dafür gibt es in der Regel weniger Überstunden. Auf Grund der Bindung des Gehalts an den Abschluss ist ein Studium für den öffentlichen Dienst also sehr sinnvoll.

Was lernt man im Studium?

Im Wesentlichen:

  • Software-Entwicklung - praktisch Programmieren, Programmiersprachen etc.

  • Technische Informatik - Hardware und Hardware-Design

  • Theoretische Informatik - Algorithmen, was kann mit welchem Aufwand berechnet werden?

  • Mathematik oder sonstige Nebenfächer (je nach Uni, beispielsweise Physik, Wirtschaft, Medizin, Elektrotechnik, Maschinenbau)

Fächer wie Medieninformatik oder Bioinformatik kombinieren Informatik mit Fachwissen in bestimmten Anwendungsbereichen. Mein Eindruck ist, dass die meisten nach dem Abschluss außerhalb dieser Bereiche arbeiten. Daher finde ich eigentlich Informatik oder Wirtschaftsinformatik am sinnvollsten. Wer sich allerdings in bestimmte Bereiche vertiefen will, sollte das dazu passende Studium wählen.

Würdest Du wieder studieren?

Ja und auch wieder an der Uni. Ich fand die Theorie spannend und habe Themen wie funktionale Programmierung kennengelernt, die erst in den letzten Jahren aktuell wurden.

Ergänzung Gernot Starke (ich habe an der RWTH Aachen studiert): Ja, und auch gerne wieder an der Uni.

Benötige ich Mathematik-Kenntnisse?

Mathematik kann im Studium einen wichtigen Teil einnehmen - in meinem war es allerdings nicht so. Siehe auch oben: Es kann zu den Nebenfächern gehören.

Aber: Software-Entwicklung ist oft wie das Erarbeiten eines Lösungsansatzes für Text-Aufgaben in der Mathematik. Wichtig ist, wie man aus einer Aufgabe ein mathematisches Gebilde entwickelt. Damit versorgt man dann den Computer, der die Berechnungen anstellt. Daher ist mathematisches Denken schon wichtig, weniger das konkrete Mathematik-Wissen.

Wie ist der Frauen-Anteil?

Viel zu niedrig. Es gibt aber Initiativen, die versuchen, den Frauen-Anteil zu erhöhen.

Gerade der von vielen unterschätzte kommunikative Teil der Arbeit wird sozialisationsbedingt von Frauen wegen der geschlechtertypische Erziehung besser ausgefüllt. Daher sind sie gerade in der Informatik, einem „typisch männlichen Feld“, sehr gefragt. Insbesondere die geschlechtertypische Erziehung ist bei genauerem Hinsehen ein Vorteil, da Frauen andere Blickwinkel auf Probleme in der Programmierung mitbringen und so die Kreativität und Produktivität des zumeist hauptsächlich männlichen Arbeitsumfelds steigern.

Welche Spezialisierungen gibt es?

Neben der reinen Informatik, die sich ihrerseits in die Bereiche angewandte (d.h. praktische) oder theoretische Informatik aufteilt, gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Spezialisierungen oder auch Fachgebieten mit hohem Informatik-Anteil. Beispiele:

Informatik-Spezialisierungen

Fach Inhalt
Wirtschaftsinformatik Entwicklung und Anwendung von Informations- und Kommunikationssystemen in Wirtschaftsunternehmen, angereichert um betriebswirtschaftliche Schwerpunkte
Medieninformatik stark interdisziplinär, insbesondere Multimedia, inklusive Medienökonomie, Mediengestaltung, Medienpsychologie oder Mediendidaktik
Bio-Informatik (englisch bioinformatics, auch computational biology) ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die Probleme aus den Lebenswissenschaften mit theoretischen computergestützten Methoden löst. Sie hat zu grundlegenden Erkenntnissen der modernen Biologie und Medizin beigetragen.
Geo-Informatik Lehre vom Wesen und der Funktion raumbezogener Informationen (Geoinformation) sowie ihrer Erfassung, Vernetzung (Internet), Mobilisierung und Navigation (Smartphone), Speicherung, Analyse, und Visualisierung.
Medizinische Informatik (englisch Health Informatics oder Medical Informatics) ist die Wissenschaft der systematischen Erschließung, Darstellung, Verwaltung, Aufbewahrung, Verarbeitung und Bereitstellung von Daten, Algorithmen, Informationen und Wissen in der Medizin, beispielsweise computerunterstützte Diagnose oder Bildauswertung.
Neuro-Informatik Teilgebiet der Informatik und der Neurobiologie, das sich mit der Informationsverarbeitung in neuronalen Systemen befasst, um diese in technischen Systemen anzuwenden. Ein stark interdisziplinäres Forschungsgebiet zwischen KI-Forschung und Kognitionswissenschaft.
Künstliche Intelligenz auch: Machine Learning

(Erklärungen auf Basis der jeweiligen Wikipedia-Artikel)

Fächer mit hohem Informatik-Anteil

Fach Inhalt
Data Science Data Science ist ein interdisziplinäres Wissenschaftsfeld, Wissen sowohl aus strukturierten als auch unstrukturierten Daten ermöglicht. Verwendet Techniken und Theorien aus den Fächern Mathematik, Statistik und Informationstechnologie, Wahrscheinlichkeitsmodelle des maschinellen Lernens, der Programmierung, der Datentechnik, der Mustererkennung, der Prognostik, der Modellierung von Unsicherheiten und der Datenlagerung.
Kognitionswissenschaft  (engl. Cognitive Science oder science of the mind) Eine interdisziplinäre Wissenschaft zur Erforschung bewusster und potentiell bewusster Vorgänge.
(Humanoide) Robotik 

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Es ist erlaubt, die FAQ zu verbreiten, zu remixen, zu verbessern und darauf aufzubauen, allerdings nur nicht-kommerziell und solange https://github.com/ewolff/InformatikFAQ als Quelle des Originals genannt wird und die auf der FAQ basierenden neuen Werke unter denselben Bedingungen veröffentlicht werden.

Siehe https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/